Neubau am Kanalweg
Politisches Engagement

Wenn Wohnen Luxus wird

Wilhelmshaven zieht mit Berlin gleich, …leider nur in Sachen unbezahlbare Neubaumieten

Da wird immer von der völlig entspannten Wohnraumsituation in Wilhelmshaven gesprochen und dann das…

Panorama (ARD) berichtet: „Millionen Haushalte können sich eine Neubaumiete nicht leisten“ und zeigt eine Grafik von Deutschland. Da, oben am Jadebusen ein dunkler Fleck. Der bedeutet, dass hier eine 3-Zimmerwohnung im Neubau über 40% des Durchschnitts-Nettoverdienstes eines Wilhelmshaveners kostet.

Auf der ARD-Webseite heißt es:

„In Deutschland wird zwar kräftig gebaut, doch viele Haushalte müssten mehr als 27 Prozent ihres Nettoeinkommens ausgeben, um sich einen Neubau zur Miete leisten zu können. Nicht nur in Großstädten wie Berlin, Dortmund oder Frankfurt ist das ein Problem – auch in mittelgroßen Städten wie Rostock, Jena oder Wilhelmshaven.“

Grafiken zu Mietkosten von Neubauwohnungen | Quelle: empirica-systeme Marktdatenbank/empirica regio Regionaldatenbank/ ARD

Diese Entwicklung ist teilweise politisch verursacht, so sind die Baukosten wegen immer schärferer Bauvorschriften doch erheblich gestiegen. Aber auch die steigenden Grundstückspreise sind Mitverursacher der Situation. Vor diesem Hintergrund bekommen Brachen im Stadtgebiet , wie an der ehemaligen Südzentrale, am ehemaligen Schlachthof oder am „Ehrenwortplatz“an der Ebertstrasse eine ganz neue Bedeutung. Spekulanten reiben sich hier sicher schon die Hände.

Saniertes Haus, Weserstr.
Vorblildlich saniertes Haus in der Weserstraße | Foto: Ulf Berner

Wenig zur Beruhigung, trägt da auch die Sanierungswelle in der Südstadt bei. Es ist natürlich schön, dass nach Jahrzehnten der Vernachlässigung dieses Stadtteils, die Verwaltung, der Rat und die Immobilienbesitzer entdeckt haben, dass dies das Filetstück der Stadt sein könnte. Offensichtlich aber leider nur, wenn man die Häuser nicht nur alle hübsch macht und die Weserstrasse verkehrsberuhigt, sondern auch indem man ganz nebenbei die angestammte Bevölkerung dort los wird. Denn die Mieten in den sanierten Häusern können sich die Ursprungsmieter kaum mehr leisten. Für Großfamilien ist im Zuge der Verkleinerung der Wohneinheiten eh kein Platz mehr.

‚Gentrifizierung‘ nennt man diesen Prozess, den Beispielsweise Berlin-Prenzlauer Berg schon lange hinter sich hat. Einst ein bunter, multikultureller, kreativer und lebendiger Bezirk, wurde zu einem Juppi-Viertel tot saniert. Da hilft es auch nicht, wenn man die Wohnungen eines einzelnes Mietshauses Bezugsscheinpflichtig macht. Besser wäre beispielsweise eine Auflage, in jedem sanierten Haus 20-25 % der Wohnungen für Geringverdiener oder SGB II Bezieher zu reservieren.

Auch muss die Mietpreisbremse, die übrigens derzeit nicht für Neubauten gilt, dringend nachgebessert werden. Weiterhin könnten auch Quartiersmanager*innen Empfehlungen geben, was ein Bezirk an Wohnraum benötigt, was an sozialen Einrichtungen und was an kultureller, gewerblicher und mobilitätstechnischer Infrastruktur.

Es muss jetzt was getan werden! Sonst droht die Ghettoisierung vermögensschwacher Bevölkerungsteile in unattraktiven, meist zentrumsfernen Stadtgebieten, mit all den daraus erwachsenden sozialen Problemen.

ZitatEs gilt sehr zeitnah seitens der Politik, der Stadtverwaltung, der Baugenossenschaften, der Immobilienbesitzer und der örtlichen Bauträger dem Gentrifizierungs-Trend entgegen zu wirken. Die Attraktivität einer Stadt lebt von der Vielfalt in jedem Bezirk und einem Miteinander auf Augenhöhe, unabhängig vom persönlichen Einkommen.

 

Ulf Berner ist Kaufmann, Journalist und Kommunalpolitiker Seit 2021 Ratsherr im Stadtrat Wilhelmshaven