Sturm-der-Faschisten
Politisches Engagement

Frontalangriff auf die Demokratie

Die Erstürmung des Capitols in Washington vom 06.01.2021 ist ein Weckruf an die Demokratie

Auch wenn es nicht unvorhersehbar war, so erschütterte dieser Terrorakt von radikalen, faschistischen und rassistischen Anhängern Trumps die demokratische Welt. Donald Trump hatte den roten Teppich für diese gewaltbereiten Polit-Hooligans ausgerollt. Vier Jahre hatte er seine Amtszeit vornehmlich dazu genutzt, die Gesellschaft zu spalten, Rassismus und Faschismus gesellschaftsfähig zu machen und das Vertrauen in Politik und Demokratie, zumindest in Teilen der Bevölkerung zu pulverisieren. Selbst nachdem alle Ebenen der Staatsmacht Joe Bidens Wahlsieg bestätigten, selbst als der rechte Mob das Capitol stürmte und die ersten Schüsse fielen, war Trump nicht bereit eine eindeutige Botschaft der Distanzierung zu starten. Halbherzig twitterte Trump, die Demonstranten mögen doch friedlich bleiben und nach Hause gehen, endete aber mit einem ‚Wir lieben Euch!‘. Untersucht werden muss auch dringend die Rolle der Sicherheitskräfte vor und im Capitol. Es gibt Videosequenzen in denen Polizisten den Demonstranten die Absperrungen öffnen und sie zum Capitol vordringen lassen – ein unerträglicher Vorgang. Wären es nur ein Zehntel an Demonstranten, aber diese von der Black-Lifes-Matter Bewegung gewesen, wäre vermutlich die Nationalgarde in Minuten aufmarschiert und es hätte deutlich mehr Verhaftete, Verletzte und womöglich auch Tote gegeben. Joe Biden muss in seiner Amtszeit eine Herkulesaufgabe stemmen, den Schaden, den Trump angerichtet hat auch nur teilweise zu beheben.

Doch jetzt mit dem Finger auf die USA zu zeigen, wäre völlig verfehlt

Am 29. August 2020 stürmten Reichsbürger, Faschisten und Rechtsradikale die Treppe vom Reichstag in Berlin. Weiter kamen sie , Dank eines Einschreitens der Sicherheitskräfte, nicht. Bis auf die von AfD-Abgeordneten als „Gäste“ eingeschleusten Demonstrant*innen, die Abgeordnete bedrängten und bepöbelten, bis sie aus dem Gebäude geleitet werden konnten. Auch hier war die Menge angestachelt worden von faschistischen, rassistischen und Demokratiefeindlichen Politiker*innen aus einer ebenfalls in Teilen faschistischen und rassistischen Partei – der AfD. In beiden Fällen, sowohl in Washington und in Berlin, ist es den Rechten gelungen bildgewaltige Botschaften an ihre Anhängerschaft zu senden – ein fatales Signal!

Der Antifaschistische Kampf fängt vor der Haustür an.

Im Anschluss an solche Ereignisse ist der Aufschrei groß und die demokratische Welt verlangt Aufklärung und Bestrafung. In Deutschland wird ein Verbot der AfD neu und intensiv diskutiert. Plötzlich entdeckt man offiziell rechtsextreme Strömungen und Cliquen im Sicherheitsapparat und im Militär und schnell droht die Diskussion mit Pauschalverurteilungen ganze Berufsgruppen und Systeme unter Verdacht zu stellen. Ein gefährlicher und meines Erachtens falscher Weg.

Parteiverbote schneiden die Parteien von staatlichen Finanzierungen ab – soweit so gut. Andererseits ist damit die rechte Gesinnung aus keinem Kopf der Anhänger verschwunden und die Gefahr dass diese sich konspirativ und im Untergrund organisieren, wächst immens.

Der Kampf für Vielfalt, Gerechtigkeit und Demokratie ist keiner, den man dem Staat oder einzelnen Institutionen überlassen kann und darf. Er fängt vor der eigenen Haustür an. Sich einmischen, wo ein rassistischer Spruch fällt, wo ein ‚Judenwitz‘ erzählt wird, wo in der Kommune eine AfD um politische Mandate wirbt, wo queere Menschen beleidigt oder bedroht werden, ist der erste und wichtigste Schritt das zu verhindern, was in Washington und Berlin so medienwirksam zelebriert wurde. Dazu gerhört auch, den Politiker*innen und Medienschaffenden da öffentlich und hörbar zu widersprechen, wo sie Rechtsextremismus und faschistische Gewalt relativieren, indem sie sie mit ‚Linksextremismus‘ gleich setzen. Da einzuschreiten, wo Antifaschismus mit gewaltbereitem Linksextremismus gleichgesetzt wird und laut zu protestieren wenn Organisationen , die sich für unsere Demokratie, für die Meinungspluralität und für soziale Gerechtigkeit einsetzen die bereits früher gewährten Förderungsmittel beschnitten oder gestichen werden.

Viele Bausteine gehören dazu, eine Gesellschaft fest in der Demokratie zu verankern. Jeder einzelne ist wichtig!

Eine Demokratie ist kein Selbstverständnis – Sie muss jeden Tag gelebt, vermittelt und verteidigt werden – Von jedem Einzelnen.

 

Ulf Berner ist Kaufmann, Journalist und Kommunalpolitiker Seit 2021 Ratsherr im Stadtrat Wilhelmshaven